Pressetext aus Fachmagazin „energie aus pflanzen“

16.07.2019

Mit der Kraft der Kugel

Warum ist da eigentlich bislang niemand drauf gekommen? Das Prinzip, das Mohammed Al-Saffar und Fridolin Hanel zur Zerkleinerung von faserreichen Substraten nutzen, ist letzlich die Schwerkraft. Sie lassen gut zwei Kilogramm schwere und tennisballgroße Stahlkugeln aus bis zu 180 Zentimeter Höhe auf Grassilage, Stroh, Landschaftspflegegut und ähnliches fallen. „Bis zu 2.000 Bar Druck wirken auf das Material im Moment des Aufpralls ein“, erklärt Al-Saffar. Anlass für ihre Suche nach einer Zerkleinerungsanlage war zum Einen, einen „aktiven Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten“, zum Anderen hatten sie vor zwei Jahren kurz vor Ende ihres Studiums in Berlin einen Biogasanlagenbetreiber kennen gelernt, der eine Vorzerkleinerung für ligninhaltige Substrate suchte und auch die Idee zur Kugelmühle mitbrachte. Hanel und Al-Saffar waren nach etwas Einarbeitungszeit und Recherche Feuer und Flamme. Schließlich konstruierten sie die Mühle auf Basis einer horizontalen Trommelmühle aus der Bergbau- und Keramikindustrie.

In Kooperation mit der Biogasanlage in Baden-Württemberg bauten sie einen ersten Prototyp: zwei Meter im Durchmesser, sechs Meter lang, mit einer Wandstärke von 20 Millimetern und mehreren tausend der Stahlkugeln gefüllt, die zusammen etwa zehn Tonnen wiegen. Leisten an der Innenseite der sich drehenden Trommel transportieren die Kugeln in die Höhe. Gelagert ist sie auf insgesamt acht Standard-Lkw-Reifen, die je zu zweit auf einer angetriebenen Achse sitzen. Für den Antrieb sorgte die Zapfwelle eines Traktors.

Inzwischen wissen die beiden Ingenieure, dass auch die halbe Trommellänge von drei Metern mit der halben Menge Kugeln und nur zwei Radpaaren aus- reichen. Im kommenden August soll die Pilotanlage, automatisiert und durch einen 30-Kilowatt-Motor angetrieben, an der Biogasanlage in Betrieb gehen. Das System ist zum Patent angemeldet.

Die Substrate werden unmittelbar vor der Fütterung auf- geschlossen. Zerkleinert wurden bisher Grassilage mit 30 Prozent Gehalt an Trockensubstanz (TS), Stroh mit 90 Prozent und Grassilage plus Wasser mit 22 Prozent. „Der TS-Gehalt limitiert den Einsatz der Mühle nicht“, meint Al-Saffar. Dass mit dieser Methode das Substrat tatsächlich aufgeschlossen wird, zeigten Gärversuche an der Uni Hohenheim: Die Methanerträge stiegen bei Grassilage um bis zu 25 Prozent, bei Stroh um bis zu 21 Prozent. Den Energieaufwand für ihre „Biokraft Kugelmühle“ beziffern die Entwickler auf acht Kilowattstunden je Tonne Frischmasse für Grassilage und 14 Kilowattstunden für Haferstroh. Der Durchsatz lag bisher bei 3,5 Tonnen je Stunde für Grassilage und bei zwei Tonnen für Stroh. Hanel und Al-Saffar gehen aber mit der Weiterentwicklung der Mühle von steigenden Werten aus. Vor allem aber werden für den Betrieb der Kugelmühle keine zusätzlichen Betriebsmittel wie Wasser benötigt, sie kann in bestehende Anlagen eingefügt werden, benötigt kaum Wartung und ist unempfind- lich gegenüber Störstoffen. Auch ist die Kugelmühle nicht so laut, wie zu vermuten ist: bis 62 Dezibel.

Seit vergangenem März werden die beiden Ingenieure durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert, im Mai gründeten sie die Firma Biokraft Energietechnik. Mit ihr wollen sie in eine Kleinserienproduktion gehen. „Hierfür suchen wir innovative Biogasanlagen, die eine Biokraft Kugelmühle zu vergünstigten Konditionen erstehen möchten“, erklärt Al-Saffar. Im Folgejahr seien dann auch Kooperationen mit Vertriebspartnern erwünscht.

(dme)

 

Quelle: Fachmagazin „energie aus pflanzen“